Anny Roth wurde am 12. Oktober 1900 in Bern geboren, wuchs mit drei Schwestern und zwei Brüdern auf. Ihre musikalische Begabung wurde früh entdeckt und von den Eltern begeistert gefördert. Die Familie zog nach Zürich, und das junge Mädchen trat schon bald als Gesangssolistin und Pianistin auf, war mit 16 bereits Organistin an der Kirche von Wipkingen. Sie besuchte das Zürcher Konservatorium und lernte u.a. bei Ferrucio Busoni. 1922 heiratete sie, wurde Mutter und zog nach St. Moritz. Mit Klavierunterricht, dem Dirigieren von Chören und als Organistin blieb sie aktiv; gerade als sie sich von ihrem Mann trennte und ihre Töchter allein durchbringen musste - z.T. auch als Angestellte in einer Buchhandlung - erwies sich ihr musikalisches Können als Segen. In zweiter Ehe heiratete sie den St. Moritzer Architekten Hermann Roth, der sie in ihren künstlerischen Ambitionen verstand und unterstützte. Die letzten Lebensjahre verbrachte sie in Sent bei ihrer Tochter Ursina. Sie verstarb im hohen Alter von 104 Jahren, am 16. Mai 2004.
Am 5. August 2000 erhielt die Musikerin und Komponistin den 1. Kulturpreis von St. Moritz. In einer ergreifenden Feier im Konzertsaal des Heilbads St. Moritz wurden sowohl Klavierstücke von ihr als auch Werke für Chor aufgeführt.
Anny Roths kompositorisches Werk entstand u.a. aus praktischen Gründen. Sie schrieb für "ihre" Chöre und die vielen Kinder, die bei ihr Klavierunterricht nahmen. "Kleine Stücke für kleine Leute" oder "Sunneschy und Rägewätter" sind gedruckte Sammlungen. Sie schrieb (und schreibt) aber auch anspruchsvolle Klavierliteratur. An der Feier in St. Moritz war ein Ausschnitt davon zu hören. Die zahlreich erschienenen Freunde und Freundinnen von Anny Roth - mehrheitlich Frauen der älteren Generation - zeigten sich vor allem tief bewegt während der Lieder "Engiadina, nöbla val", "Linviern" und "Dorma pür", die von professionellen Chorleiterinnen und -leitern, die in der Laudinella eine Weiterbildung absolvierten, liebevoll und hervorragend dargeboten wurden.